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China II – Xinjiang: Tofu und Gastfreundschaft

24.09.-28.09.2016

Heute mal wieder ein Beitrag (fast) nur übers Essen:

Uns gefällt es in Yining so gut, dass wir noch einen Tag dranhängen. Wir finden am Abend ein neues Restaurant, es gibt Pilze und eine neue Tofuvariante, dieses Mal mit Speck. Ausgerechnet in China wird unsere vegetarische Ernährung auf die Probe gestellt. Wir suchen den Speck raus, ist zwar wenig appetitlich – man schmeckt ihn aber auch nicht. Oft haben wir beim Essenbestellen aber auch Glück, die Leute sind erstaunt auf unseren Zetteln zu lesen, dass wir kein Fleisch essen, es wird zum Gesprächsthema Nr. 1 unter den Beistehenden. Oft gibt man sich dann besonders Mühe etwas leckeres zu zaubern. Ist die Kommunikation schwierig, geht es in die Küche zum Gemüse aussuchen. Es gibt bestimmte Kombinationen, die man immer zusammen isst, zeigt man auf eine Gemüsekombi, gibt es eine bestimmte Zubereitungsart. Tomate mit Ei, als vegetarische Alternative geht immer, in jedem Restaurant, egal ob chinesisch oder traditionell muslimisch (in diesen Restaurants sind die Nudeln am besten – die immer frisch gemacht werden, will man dicke Udonnudeln muss man die Geste für das Nudelziehen machen – sehr praktisch). Essen ist für Radfahrer einfach am wichtigsten und in China auch wirklich erschwinglich – zwischen 3 und 8€ zahlen wir für einen vollen Tisch mit mehreren Gerichten. Apropos Essen. Wir schreiben diese Zeilen kurz nach unserem bisher besten Essen in China (und das will was heißen). Wir übernachten in einem kleinen Dorf, das komplett auf den Tourismus ausgelegt ist und scheinbar dafür aus dem Boden gestampft wurde. Was sich vielleicht wenig vielversprechend anhört, erweist sich für uns als wahrer Segen. Alles, was es zu essen gibt, kommt aus dem eigenen Garten (oder den Feldern nebenan). Für jedes Gericht suchen wir passendes Gemüse aus, dass eben noch in der Erde steckte bzw. für uns geerntet wird. Auch die Hühner für den Nachbartisch liefen mittags noch im Hof. Nach dem fabulösen Essen fragen wir nach einem Hotel, das Ausländer aufnimmt. Es wird kurz telefoniert (meist ein schlechtes Zeichen), dann geht es nach nebenan – Jackpot, neben dem Restaurant gibt es eine Art Guesthouse. Nach dem Festmahl ist es Zeit für ein Nickerchen. Wir haben zwar erst 36 Km auf der Uhr, aber es zieht ein Unwetter auf und wir haben die letzten Tage so viel erlebt, dass wir die Erfahrungen (und das köstliche Essen) erstmal verdauen müssen.

Hinter Yining folgen wir einer schier endlosen, aber sehr ansehnlichen Allee. Links und Rechts wird in erster Linie Mais geerntet und in den Straßen getrocknet. Endlose LKW-Kolonnen transportieren Unmengen des goldenen Korns in alle Winkel des riesigen Landes (unseren Fortschritt auf einer China-Landkarte zu sehen, ist oft frustrierend). Es ist schwer eine schöne Stelle für das Zelt zu finden bei all der landwirtschaftlichen Nutzung. Ein Pfad in die nebenstehenden Hügeln erweist sich allerdings als ideal. Es gibt sehr viele Verbotsschilder (dummerweise auch oft in Englisch, was ein Dummstellen erschwert) und alles ist eingezäunt. Am zweiten Abend müssen auch wir eine erfolglose Hotelsuche vermelden. Hotels gibts es viele, aber nicht für Ausländer, immer werden wir weiter geschickt. Wir wähnen uns schon fast am Ziel, ein schönes, günstiges Hotel. Der Angestellte telefoniert kurz, wir sehen uns schon unter einer warmen Dusche, aber nichts da: keine Ausländer. Jedes Mal dieser Akt, der viele Radler zur Weißglut treibt.

Also weiter, es ist schon fast Sonnenuntergang. Kurz vor dem Dunkelwerden finden wir eine akzeptable Stelle, allerdings sind viele Leute unterwegs, die ihre Herden nach Hause treiben und dabei hier am Fluss vorbeikommen. Normalerweise zelten wir wild und passen auf, dass uns niemand dabei sieht. Die Alternative wäre so zu zelten, dass uns alle sehen (bspw. wie in Aserbaidschan oder Iran – mitten im Dorf). Wir fragen einen jungen Schafhirten auf seinem Pferd, ob wir hier zelten dürfen, als er seine Herde an uns vorbei treibt. Er schlägt stattdessen vor, mit zu ihm zu kommen.
Wir sind uns nicht sicher, ob er uns richtig verstanden hat und wenn ja, ob wir ihn richtig verstanden haben und drittens ob wir ihm vertrauen und die Einladung annehmen sollen. Wir trauen unserer Intuition und Menschenkenntniss und lassen die Situation sich entwicklen…

Wenig später sitzen wir mit seiner ganzen Familie am Tisch, wir zeigen Fotos rum (unser Hochzeitsfoto wirkt etwas verwirrend, die Rolle der Trauzeugen ist unklar: Flori wird meist für Tonis älteren Bruder gehalten, die Ähnlichkeit scheint frappierend, Christian ist der Notar), bespaßen die Kinder und essen alle aus einer großen Schüssel Reis mit Möhren und Hammelfleisch (das letztere suchen wir dann wieder raus). Mit den Uighuren zu kommunizieren macht wirklich Spaß und fällt uns leichter als mit Chinesen, wo doch Uighurisch sehr viele türkische Wörter enthält und wir immernoch einige Vokabeln aus der Türkei im Gedächtnis haben. Nur Danke (Rahmet) sagt man hier noch so wie in Kasachstan. Die ganze Familie wohnt zusammen mit mehreren Generationen im Haus. Die Kinder haben statt Windeln Hosen an, die hinten offen sind. Das sorgt für Unterhaltung als der kleine Junge vor Toni einen Kopfstand versucht. Unseren Gastgebern ist ihr Alter nicht anzusehen, alle sehen viel älter aus, als sie eigentlich sind. Die schwere körperliche Arbeit hinterlässt Spuren, vor allem im Gesicht. Kinder bekommt man sehr jung, der Opa ist 50, die Söhne können nicht älter als wir sein, sind aber auch schon mehrfache Väter. Dass wir keine Kinder haben, sorgt wie in jedem Land bisher für Erstaunen und Mitleid. Nach dem Abendessen macht man uns ein Bett in einem eigenen großen Raum (wir hatten damit gerehnet, dass wir uns alle ein Zimmer teilen), wir schlafen auf dem Boden eingehüllt in bunte glitzernde Samtdecken gefüllt mit Schafswolle, zumindest riechen unsere Schlafsachen noch lange so. Obwohl wir nachts Besuch von ein paar Mäuschen bekommen, ist es doch eine der tollsten Nächte bisher und wir sind superfroh, dass wir solche Gastfreundschaft erfahren und sich die Situation haben entwickeln lassen. Am nächsten Morgen sitzen dann Vater und Söhne um Daniels Fahrrad herum und gucken interessiert zu, wie er seinen Reifen flickt, der über Nacht Luft verloren hat. Danach gibts frisches Brot mit Butter und Tee mit Salz und Milch. Wir schenken unseren Gastgebern zum Abschied noch eine Tüte Bonbons für die Kinder und eine Packung Kippen für den Opa.


In den letzten Tagen ist uns wieder so viel Gutes wiederfahren, dass es manchmal schwer ist, alles in Worte zu fassen und zu beschreiben. Die Gastfreundschaft errinnert uns an Iran und Aserbaidschan. Kaum machen wir Pause, bringen uns (uighurische) Kinder Melonen und Süssigkeiten – wir revanchieren uns mit Fotos und Geschichten, willkommene Abwechslung für beide Seiten. Ein weiteres Highlight sollte schon in der nächsten Nacht auf uns warten: das beste Essen bisher (siehe oben).

Jetzt sitzen wir wieder in einem Hotel, grade wurden wir aus unserer ersten Wahl – einer Jugendherberge (mit Hostelling International Schild) – herauskomplimentiert. Man nehme doch keine Ausländer auf, die Rezeptionistin sei neu und habe es nicht gewusst. Echt nervig, aber im Prinzip haben wir damit überall in Xinjiang gerechnet, wir haben die selben Geschichten schon xmal in anderen Reiseberichten gelesen. Jetzt zahlen wir fast dreimal so viel wie in der JH, die nächsten Tage müssen wir mal wieder zelten. Morgen gehts weiter in Richtung Turpan.

Macht was draus,

T+D

Etappen:

Yining – Wildcamp: 97km

Wildcamp – Uighurische Familie: 109km

Uighurische Familie – Musterdorf: 35km

Musterdorf – Nalati: 34km (wir werden faul 😀 )

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